Wenn es schnell gehen muss: Neuer Blutgerinnungstest hilft bei Notfällen
Eine neue Generation von Gerinnungshemmern, die sogenannten DOACs (kurz für Direct Oral Anti-Coagulants, also direkte orale Gerinnungshemmer), schützen Patienten effektiv vor gefährlichen Blutgerinnseln und Thrombosen. Dieser Schutz kann jedoch schnell ins Gegenteil umschlagen, wenn ein Unfall passiert. Kommt es zu einer Blutung, kann der Körper diese nicht mehr stoppen. Das stellt sowohl Patienten als auch das medizinische Personal in der Unfallversorgung vor große Herausforderungen. Denn die DOACs erfreuen sich großer Beliebtheit und werden immer öfter verschrieben. Um die von den DOACs ausgelösten Gerinnungsstörungen schnellstmöglich nachzuweisen, haben Forscher der AUVA die Anwendung eines neuen Analyseverfahrens getestet. Dabei spielt das Gift der Kettenviper eine wichtige Rolle.
Wird ein Patient mit schweren Verletzungen in den Schockraum eingeliefert, muss alles schnell gehen. Es gilt, den Patienten zu stabilisieren, Blutungen zu stoppen und manchmal sogar noch an Ort und Stelle lebensnotwendige operative Soforteingriffe durchzuführen. Viel Zeit für Fragen bleibt nicht – ist der Patient bewusstlos, wäre dies auch gar nicht möglich. Dabei ist eine der wichtigsten Fragestellungen die nach der medizinischen Vorgeschichte und der Einnahme von Medikamenten. Denn diese können bestimmen, wie sich der Körper im Ernstfall verhält.
Besonders problematisch bei der Behandlung von Schwerverletzten sind Gerinnungshemmer.
Das Problem ist kein Neues. Bereits die klassischen Gerinnungshemmer führten dazu, dass im Falle des Falles Blutungen nur schwer zu stoppen waren. Im Laufe der Zeit entwickelten sich jedoch Tests, mit denen relativ schnell festgestellt werden konnte, ob der Patient derartige Mittel zu sich genommen hatte. Für die neuen Gerinnungshemmer sind noch keine derartigen Schnelltests im Einsatz. Zwar gibt es die Möglichkeit im Zentrallabor des Krankenhauses Spezialtests zur Bestimmung einzelner dieser Medikamente durchzuführen, diese erfordern aber die Abtrennung des Plasmas vom Blut und verursachen oft hohe Kosten. Die Forschung zu schnelleren Verfahren läuft auf Hochtouren. Vor kurzem wurde ein Gerät vorgestellt, welches sich in Labortests als effektiv zum Nachweis von Gerinnungsstörungen durch DOACs gezeigt hat. Das Testverfahren beruht auf der sogenannten Thromboelastometrie und wurde von der Firma ClotPro® entwickelt. Es basiert auf einer Methode, welche bereits in der Diagnostik der Autoimmunerkrankung Lupus im Einsatz ist, dem sogenannten RVV-Test.
RVV steht für Russel Viper Venom, englisch für Kettenviperngift. Die Kettenviper gilt als eine der gefährlichsten Schlangen Südostasiens. Ihr Gift enthält Enzyme, die u.a. den Blutgerinnungsfaktor 10 aktivieren, und so eine Gerinnung auslösen. Dem Opfer gefriert buchstäblich das Blut in den Adern. Auch die DOACs zielen auf Faktor 10 ab. Sie greifen direkt in die Gerinnungskaskade ein und verhindern die Aktivierung von Faktor 10 – sind also der Gegenspieler des Viperngifts.
Das Gerät mit RVV-Test ist bisher noch nicht für die klinische Routine zugelassen, erste Ergebnisse sind aber vielversprechend. Eine AUVA-Forschungsgruppe rund um Herbert Schöchl (UKH Salzburg) und Johannes Zipperle (Ludwig Boltzmann Institut, Forschungsinstitut für Traumatologie der AUVA) konnte nun weltweit erstmals nachweisen, dass es sich gut für den Einsatz am Patienten eignet und verlässliche Ergebnisse liefert. Die Studie dazu ist erst kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Anesthesia“ erschienen.
Den Blutproben von UnfallpatientInnen wurde außerhalb des Körpers gezielt ein Extrakt des Gifts beigemischt, und beobachtet, ob das Blut stockt. Bereits nach wenigen Minuten konnte eine Aussage getroffen werden – nicht wie bisher nach über einer Stunde. Der Weg ins Labor und die Abtrennung des Blutplasmas fallen beim RVV-Test weg, er kann am Vollblut durchgeführt werden, also direkt neben den PatientInnen im Schockraum. Das ermöglichte den Intensivmedizinern, schnell wichtige Entscheidungen über die weitere Behandlung der Patienten zu treffen.
Die Studie ist die erste von vielen, die nötig sein werden, um dem Verfahren den Sprung in den klinischen Alltag zu ermöglichen. Die AUVA, welche bereits in der Vergangenheit wegweisende Forschung zu Gerinnungsstörungen liefern konnte, ist hier einmal mehr an vorderster Front einer neuen Entwicklung.