Ohne Studium in die Forschung
Traumberuf Wissenschaft – für viele scheint er untrennbar mit einem langen Studium und einer Liste von Titeln vor und/oder hinter dem Namen verbunden. Dass es auch anders geht, berichten Michaela Stainer und Karl Kropik vom Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie, das Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA.
Michaela ist diplomierte Kindergartenpädagogin. Eigentlich. Denn nach der Ausbildung folgte eine Neuorientierung, sie begann ein Studium der Biomedizinischen Analytik. Das erste Semester sollte ihr letztes bleiben, doch die Liebe zur Arbeit im Labor ließ sie nicht los. Das Kolleg in der HBLVA für chemische Industrie in der Rosensteingasse ermöglichte ihr eine Ausbildung mit hohem Praxisbezug, mit „Chemie in allen Facetten“, wie sie es heute beschreibt. Ihr Pflichtpraktikum absolvierte sie schließlich am LBI Trauma im Schock-Team – und ist nun seit 11 Jahren Teil des Instituts.
Noch etwas länger her ist es bei Karl Kropik. Er absolvierte die HTL für Nachrichtentechnik, Elektronik und Biomedizinische Technik am TGM im 20. Bezirk, bevor er 1990 durch einen Schulkollegen von einer offenen Stelle am Institut erfuhr. Seitdem kümmert er sich um die zahlreichen Geräte am Institut. Darüber hinaus war er gleich von Anfang an in Forschungsprojekte eingebunden. Montag: erster Arbeitstag, Donnerstag: Herzvolumsmessungen. Wer sich „ned deppad“ anstellt (Zitat Karl), also geschickt ist und offen für Neues, für den gibt es am Institut immer was zu tun und viel dazu zu lernen.
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Auch Michaela durfte während ihres Praktikums schnell anpacken, selbständig arbeiten, mitdenken. Für ein neues Forschungsprojekt musste eine neue Methode adaptiert werden: Standards suchen, kalibrieren, validieren. Michaela konnte sich richtig „reintigern“ in die Literatur und erfolgreich ein neues Protokoll aufsetzen, das dann im Projekt zur Anwendung kam.
Nach dem Praktikum folgte ein Wechsel in die Molekularbiologie-Gruppe, ihr Spezialgebiet wurde die Polymerase-Kettenreaktion, besser bekannt als PCR. WissenschaftlerInnen am Institut wenden sich an sie, wenn sie in ihrem Projekt PCR-Auswertung planen, etwa für Genexpressionsanalysen (in denen festgestellt wird, welche Gensequenzen gerade aktiv abgeschrieben und umgesetzt werden). In gemeinsamen Besprechungen gibt Michaela Tipps zur Probennahme. RNA-Isolation und PCR führt sie danach selbst durch. Auch das Design von Primern (Startsequenzen) für ausgefallene Marker übernimmt sie.
„Was bei uns grenzgenial ist: ab dem Moment, wo du zeigst, dass du willst, lässt man dich. Du kannst dich einarbeiten, du kannst beweisen, was du alles kannst und wirst dafür belohnt“, beschreibt Michaela ihre Arbeit. Ihre Motivation und Eigeninitiative konnte sie letztes Jahr einmal mehr unter Beweis stellen. Als im März 2020 die Labore geräumt wurden, nutzte sie die Zeit im Homeoffice, um die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der COVID-Diagnostik mitzuverfolgen. Schon bald bat sie Institutsleiter Prof. Johannes Grillari darum, selbst Tests validieren zu dürfen. Dann ging alles ganz schnell: der Test wurde etabliert, validiert, zertifiziert. Wenige Wochen nach dem Beginn des Lockdowns begann das Institut mit einem Team von Freiwilligen, MitarbeiterInnen und PatientInnen zu testen. Bis heute werden unter Michaelas Leitung PCR-Tests durchgeführt.
Das Pipettieren kleinster Volumina ist nichts für Karl. „Chemie war nie meins“, erklärt er. Er schätzt die Mitarbeit an den Projekten der muskuloskelettalen Forschung: Kreuzbänder und Knorpeltransplantate, Knochenverschraubungen. „Da hast was in der Hand.“
Besonderen Einsatz und Fingerspitzengefühl demonstrierte er bei der Arbeit mit Fibrinkleber, einem biologischen Zweikomponentenklebstoff aus Blutgerinnungsfaktoren. „Irgendwann hab ich mir mal gesagt, so kompliziert kanns ja nicht sein, und hab mich hing’setzt und mich damit beschäftigt.“ Er lernte viel über die verschiedenen Produkte, die Do’s and Don’ts im Umgang mit Fibrinkleber, durch Recherche aber vor allem auch durchs Ausprobieren. Von Sprühapplikation bis hin zur laparoskopischen Anwendung – Karl kenn sich aus. Sein Wissen konnte er auch schon in Schulungen weitergeben.
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Wie sieht es in einem akademisch dominierten Feld mit der Wertschätzung aus? Michaela und Karl sind sich einig: auch wenn sie ihn sich anfangs erarbeiten mussten , der Respekt ist da. Respekt vor ihrer langjährigen Erfahrung, von ihrer Übersicht (als Techniker haben sie Einblicke in fast alle Forschungsgruppen) und vom erfolgreichen Zusammenarbeiten.
„Karl ist ein ganz zentraler Teil für den reibungslosen Ablauf unsere Studien“, erzählt die Leiterin der Knorpelregenerationsgruppe, Prof Sylvia Nürnberger, „Durch sein praktisches Denken bringt er sich sehr konstruktiv ein. „Ist Karli eh wieder dabei?“, höre ich oft von unseren Kooperationspartnern. Durch seine unkomplizierte offene Art ist er überall gerne gesehen.“
Aus dem Institutsalltag sind Karl und Michaela kaum wegzudenken, haben sie doch den besten Überblick über alle Werkzeuge, Geräte und Chemikalien. Karl beschreibt es salopp: „Ich bin schon so lang dabei, wenn wer was sucht am Institut, kommt er zu mir, weil ich weiß von fast jedem Ladl, was drin ist.“ Auch Michaela ist Ansprechpartnerin für vieles. „Frag die Micha, die weiß das“, hört man oft in der Kaffeeküche des Instituts. Als ich Michaela darauf anspreche, muss sie schmunzeln. „Wenn ich neue Studenten einschule, zeig ihnen immer Tricks und Kniffe. Wenn sie das so machen, wie ich das vorzeige, funktioniert das Experiment einfach. Das schätzen sie alle.“