Kompetenzzentrum MechanoBiologie: eine tschechisch-österreichische Erfolgsgeschichte

Das Kompetenzzentrum Mechanobiologie ermöglicht grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen österreichischen und tschechischen Instituten und wird im Rahmen eines Interreg Programms gefördert. Zu den drei österreichischen Mitgliedern gehört auch das LBI Trauma, Forschungszentrum der AUVA. Gemeinsam wird daran geforscht, wie mechanische Kräfte auf Gewebe und Zellen wirken, welche Signale sie in und um die Zellen auslösen und wie sich dadurch die körpereigene Heilung anregen lässt.

Beispielsweise nach Knochen- oder Knorpelschäden ist die richtige Belastung in der Heilungsphase essentiell. Zu früh zu viel, und ein neuer Defekt entsteht. Zu wenig, und das neu gebildete Gewebe kann seiner Funktion nur eingeschränkt nachkommen. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mechanik und Biologie sind noch längst nicht alle entschlüsselt. Neue Erkenntnisse können in zukünftigen Therapien berücksichtigt werden, um den Patienten eine vollständige Heilung zu ermöglichen.

Mechanik wirkt sich nicht nur auf neu gebildetes Gewebe aus, sondern beeinflusst die Zellen an sich – und zwar mit großer Wirkung. Dass Stammzellen sich dazu anregen lassen, sich in bestimmte Richtungen zu entwickeln, ist bereits lange bekannt. Knochen, Muskel, Knorpelgewebe – das alles und mehr lässt sich aus den Gewebestammzellen gewinnen.

Üblicherweise erfolgt die Stimulation über chemische Signale, wie die Zugabe von Wachstumsfaktoren. Doch immer mehr wird klar, dass auch die räumliche Umgebung der Zellen eine entscheidende Rolle spielt, ja sogar ausreicht, um die Entwicklung in ein bestimmtes Gewebe anzuregen. Werden die Stammzellen in einer weichen Umgebung kultiviert, die eine runde Form zulässt, werden daraus Fettzellen. Biomaterialien mit hoher Festigkeit, hingegen, auf denen die Zellen ausgestreckt wachsen, bringen Knochenzellen zum Vorschein. Die Verbindung zum Vorbild Natur ist offensichtlich. Die zugrundeliegenden Mechanismen werden von Wissenschaftlern weltweit untersucht. Oft spielen Änderungen des Zellskeletts (komplexe Stützstrukturen innerhalb der Zelle) eine große Rolle, aber auch Proteine, die sich unter mechanischem Druck ändern.

In diesem Zusammenhang ist dem Team rund um Giancarlo Forte aus dem Kompetenzzentrum Mechanobiologie, Standort St. Anne’s University Hospital in Brno, eine besonders bemerkenswerte Entdeckung gelungen. Allein durch Änderungen der Zellgeometrie gelang ihnen die Unterdrückung eines bestimmten Proteins, YAP, das besonders in Tumorzellen stark ausgeprägt ist. So konnten sie nicht nur den zugrundeliegenden Mechanismus beobachten und beschreiben, sondern auch im Labor demonstrieren, dass sich durch Unterdrückung von YAP Brustkrebszellen in harmlose Fettzellen verwandeln.

„Am Kompetenzzentrum Mechanobiologie gefällt mir besonders gut, dass die Projektpartner ganz unterschiedliche Expertisen haben und sich so gut ergänzen. Zusätzlich ist es sehr hilfreich, dass die Distanzen zwischen den Projektpartnern überschaubar sind. Tagesausflüge in Partnerlabors sind also kein Problem“, beschreibt Wissenschaftlerin Barbara Bachmann ihre Erfahrungen im Projekt. Sie arbeitet für das LBI Trauma in enger Kooperation mit der Gruppe um Peter Ertl an der TU Wien an der Entwicklung von Bio-Chips. Die scheckkartengroßen Kunststoffplättchen enthalten Kammern, in denen mithilfe von Körperzellen Gewebe gezüchtet wird, und feine Kanäle, die der Versorgung mit Nährstoffen dienen. Durch Druckluft können dem Gewebe gezielt mechanische Verletzungen zugefügt werden. Die Transparenz des Kunststoffs ermöglicht es den Wissenschaftlern, den Heilungsprozess auf Zellebene genau zu beobachten. Der Einsatz von Bio-Chips ist vielseitig – sie gelten als vielversprechender Zusatz/Ersatz von Tierversuchen in der Grundlagenforschung.

Besonders interessant sind die Chips auch für die personalisierte Medizin, denn sie können mit den Zellen von Patienten besiedelt werden, um diese genau zu untersuchen. Das Verhalten von Zellen ist individuell, die Reaktionen auf Medikamente oft von Patient zu Patient verschieden. Die Nährstoffleitungen am Bio-Chip erlauben die Zufuhr von Medikamenten, auch die Dosis kann variiert werden. So kann am Gewebe von Patienten die optimale Therapie bestimmt werden – noch bevor der Patient tatsächlich mit dem Medikament in Kontakt kommt.

Die Entwicklung von Bio-Chips vereint verschiedenste Disziplinen der Wissenschaft: von der Medizin über die Fertigungstechnik bis hin zur Mikrofluidik, also der Lehre vom Strömungsverhalten winziger Stoffmengen. „Nur durch interdisziplinäre Vielfalt können wir uns einen Vorsprung herausarbeiten und Forschungsergebnisse erzielen, die international für Aufsehen sorgen“, weiß Peter Ertl.

Die Wissenschaftler des Kompetenzzentrums treffen sich regelmäßig, um aktuelle Ergebnisse und weitere Experimente zu diskutieren. Auch auf Geräte und Methoden der Partnerinstitute kann zurückgegriffen werden. Dem Forschergeist sind also keine Grenzen mehr gesetzt.

a.