Heute schon auf Ihre Beine geschaut?
Unsere Beine bekommen meist nicht die Beachtung, die sie verdienen. Nahe am Boden, weit weg von unserem Kopf, sind sie aus den Augen und aus dem Sinn. Darunter leidet die Beingesundheit: frühe Warnzeichen, die auf krankhafte Veränderungen hinweisen, werden oft nicht wahrgenommen – bis es zu spät ist.
„Legs Matter!“, also „Beine sind wichtig!“, ist gleichzeitig Titel und Aufruf einer britischen Initiative, die Bewusstsein für mehr Bein- und Fußgesundheit schaffen will. Vom 11. bis 15. Oktober richtet dieses Bündnis acht gemeinnütziger Gesundheitsorganisationen die Legs Matter Week aus. Dem Thema Wunden und deren Vorbeugung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Pro Jahr wendet der National Health Service, das staatliche Gesundheitssystem Großbritannien, 8,3 Milliarden Pfund (etwa 9,8 Milliarden Euro) für die Behandlung von Wunden auf, zwei Drittel davon für die Behandlung chronischer Wunden – das geht aus einer kürzlich im Health Economist erschienenen Studie hervor.
Eine Wunde gilt als chronisch, wenn sie nach acht Wochen keine Zeichen von Abheilen zeigt. Unabhängig von dieser zeitlichen Definition sind manche Wunden „chronisch“, weil ihre zugrundeliegende Ursache fortlaufend behandelt werden muss. Dazu gehören beispielsweise der sogenannte diabetische Fuß oder Durchblutungsstörungen wie Veneninsuffizienz und die periphere arterielle Verschlusskrankheit. Letztere ist landläufig als „Schaufensterkrankheit“ bekannt. Halten wir als Zwischenfazit fest: Am häufigsten befinden sich diese Wunden an Beinen und Füßen − und besonders häufig trifft es ältere Mitmenschen.
Eine aktuelle Erhebung ähnlich der von Großbritannien gibt es für Österreich nicht. Vergleiche mit Daten aus Deutschland legen nahe, dass die Lage hierzulande ähnlich ist. Es reicht schon, sich einmal bei den Menschen umzuhören, die unsere Wundversorgung stemmen.
Mehr als nur eine Zahl in einer Studie ist das Erleben der Betroffenen selbst. Wer kennt nicht selbst jemanden, der über schmerzende Beine klagt, sich bei Spaziergängen immer wieder mal kurz hinsetzen muss. Oder eben stehen bleibt − vor dem Schaufenster, die Auslagen mustert, bis die Schmerzen nachlassen. Damit es niemandem auffällt. Wenngleich Österreich manchmal augenzwinkernd als Land der Raunzer bezeichnet wird, leidet man oft stumm. Man will ja niemandem zur Last fallen. Schmerzen? „Das is halt so, wenn ma alt wird.“
Es gibt also kaum einen öffentlichen Austausch dazu. Auch dann nicht, wenn die Schmerzen in Wunden übergehen und der Mensch im schlimmsten Fall mit dem Verlust seiner Mobilität, seiner Freiheit, seines Lebensgefühls konfrontiert ist.
Gegen das Älterwerden ist kein Kraut gewachsen, aber es gibt dennoch Frühzeichen, auf die man reagieren kann − um schwerere Folgen zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Die Initiative Legs Matter empfiehlt dafür drei einfache Punkte, denen man immer wieder seine Aufmerksamkeit schenken sollte.
- Hat sich die Haut an den Füßen oder Beinen verändert? Damit sind sowohl Farbe als auch Textur der Haut gemeint. Halten Sie Ausschau nach trockenen, schuppigen Stellen oder roten Flecken. Wenn kleine Risse oder Insektenstiche nicht innerhalb von zwei Wochen abheilen, ist das ein Grund, wachsam zu werden.
- Hat sich die Form Ihrer Füße oder Beine verändert? Sind sie häufig geschwollen, ist das ein Anzeichen dafür, das Durchblutung oder Lymphsystem gestört sind.
- Achten Sie auf Ihr Schmerzempfinden! Sowohl Krämpfe und Schmerzen − bei Durchblutungsstörungen − als auch vermindertes Empfinden − B. hervorgerufen durch eine Schädigung der Nerven bei Diabetes − sind ernst zu nehmen.
Bei Warnzeichen empfiehlt sich ein Gang zur Expert*in. Diese*r hilft, mögliche Ursachen der Veränderungen abzuklären. Dabei kann sie oder er mittels spezieller Blutdruckmessungen oder Computertomographie Durchblutungsstörungen feststellen. Bei Diabetiker*innen empfiehlt sich ein genauer Blick auf die Blutwerte sowie Tests zum Feststellen eventueller Empfindungsstörungen im Fuß.
Am allerbesten ist es, wenn das Problem erkannt wird, bevor eine chronische Wunde entsteht. Im Fall des Falles, sollten Sie doch eine Wunde entdecken, heißt es Ruhe bewahren – und nicht wegsehen. Expert*innen in der Wundbehandlung berichten, dass das Problem gerne ignoriert wird, solange es sich mit der Wunde noch aushalten lässt. Doch je schneller diese eine professionelle Behandlung erfährt, desto größer sind die Heilungschancen. Das Älterwerden lässt sich nicht umgehen. Schmerzen sind jedoch keineswegs ein Teil davon, den man einfach so hinnehmen sollte. „Das is halt so“, ist eine gefährlich weit verbreitete Haltung.
Es lohnt sich, dem Körper auch − um nicht zu sagen gerade − im Alter Zeit und Gehör zu schenken. Und sollten Sie sich noch zu jung fühlen, um sich über Ihre Beingesundheit zu sorgen: Halten Sie Augen und Ohren offen und schenken Sie älteren Mitmenschen in ihrem Umfeld Aufmerksamkeit. Wenn ein älteres Familienmitglied vermehrt über schmerzende Beine klagt, lohnt sich ein vertiefendes Gespräch. Sie könnten damit viele zukünftige Spaziergänge ermöglichen.
Mehr Informationen zur Initiative Legs Matter im Internet unter: https://legsmatter.org/